Das s'Paules und s'Seppls Haus zählt zu den letzten unveränderten Zeugen bäuerlicher Baukultur im Tiroler Oberland.
Der Oberinntaler Durchfahrtshof
Über die Jahrhunderte wuchs der Bau zum klassischen Oberinntaler Durchfahrtshof heran und erreichte im Barock das heutige Aussehen.
Eine Haustüre für Menschen, Vieh und Fuhrwerk, es wurde gelebt und gearbeitet, geboren und gestorben – alles unter einem Dach.
„Ein kleines Dorf unter einem Dach" – finden selbst die Kinder bei der Führung durch den Hof.
Realteilung
Charakteristisch für das Tiroler Oberland bzw. das Obere Gericht war einst die Realteilung. Diese besondere Erbform hat sich zum Teil bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Unter der Realteilung versteht man dabei die Aufsplitterung des Besitzes nach Zahl der unmittelbaren Nachkommen.
Dies betraf nicht nur die landwirtschaftlichen oder ähnlichen Flächen, sondern auch Haus- und Hofanlagen.
Oftmals lebten – so wie hier im s'Paules und s'Seppls Haus – mehrere Familien unter einem Dach.
Dies erklärt auch, dass es nicht nur eine Stube oder Küche gab, sondern eine der dort lebenden Familien entsprechende Anzahl.
Auch die Arbeitsräume wie Stall, Stadel oder Vorratskammern wurden aufgeteilt. Man wohnte und arbeitete unter einem Dach- aber in unterschiedlichen Räumlichkeiten: gemeinsam und doch getrennt.
Die Auswirkungen dieser Erbform zeigten sich nicht nur in den Baulichkeiten sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die landwirtschaftlichen Flächen unterteilte man in kleinere Parzellen und im Laufe der Zeit wurde es dadurch immer schwieriger, seinen Lebensunterhalt damit zu bestreiten. Nebenverdienste wie handwerkliche Tätigkeiten bis hin zur saisonalen Auswanderung (z.B. als Wanderarbeiter) waren notwendig.
S'Paules & S'Seppls
Die letzten Bewohner dieses Hofes, die Familie Pale und Pregenzer, lebten mit bis zu 20 Personen unter einem Dach. Im Jahre 1963 verließ die Familie Pale (s'Paules) das Anwesen, 1983 zog auch die Familie Pregenzer (s'Seppls) aus.
Es war ein gemeinsames Wohnen und Wirtschaften ohne große Privatsphäre. Die sicherlich beengenden Wohn- und Wirtschaftsverhältnisse gaben auch Anlass zu kleineren Konflikten bzw. Streitigkeiten. Man musste sich allerdings mit den Gegebenheiten zurechtfinden, man arrangierte oder ignorierte sich – zumindest kurzfristig. Denn ein gewisses Miteinander war einfach unabdinglich...